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Rundbrief Nr. 47

Sommer 2021

Liebe Freundinnen und liebe Freunde,

mit der Hochzeit unseres Mitarbeiters Tilak Bohara, der sich um unsere Kinder bis zur 4. Klasse kümmert, und der Geburt einer Tochter bei unserem Betreuerehepaar im 3. Haus, erlebten unsere Kinder zwei freudige Ereignisse mitten in der Pandemie.

Noch im Dezember heiratete Tilak. Wir wünschen ihm und seiner Frau Sunita viele gemeinsame Jahre des Glücks und der Zufriedenheit. Sunita arbeitet nun auch bei uns mit.

Laxman und Saru wurden am 26. März Eltern einer kleinen Tochter, die sie Ananya nannten.

Wir freuen uns mit den überglücklichen Eltern und wünschen der kleinen Erdenbürgerin, dass sie in Frieden, Gesundheit, Geborgenheit und mit viel Liebe heranwachsen darf.

Der erste Lock-down zog sich in Kathmandu bis in den Januar hinein. Kinder und Betreuer atmeten erleichtert auf, als die Schule wieder losging. Die Kinder freuten sich, wieder aus dem Haus zu kommen und ihre anderen Klassenkameraden zu sehen, während die Mitarbeiter*innen endlich wieder einen Gang herunterschalten konnten. Es war schon anstrengend, all die Kinder den ganzen Tag zu Hause zu haben, sie beim Lernen zu unterstützen und sie zu beschäftigen.

Leider war die Pause von kurzer Dauer, denn Ende März traf Nepal eine sehr heftige zweite Coronawelle, die zu einem weiteren harten Lock-down mit erneuter Schließung der Schulen und ganz restriktiven Öffnungszeiten selbst für Lebensmittelgeschäfte führte. Die indische Variante (Delta-Variante) war über die grüne Grenze im Süden herübergeschwappt, denn nepalesische Arbeiter kehrten heim, als sie aufgrund des neuen Virusausbruchs in Indien ihre Arbeit verloren.

Dazu kam noch, dass die erfreulich niedrigen Fallzahlen zu Jahresbeginn die Nepalesen hatten leichtsinnig werden lassen. Sie füllten wieder die Straßen ohne Masken zu tragen, als ob es nie eine Pandemie gegeben hätte. Um finanzielle Einbußen aufzuholen, wurden die Busse wie vor der Pandemie vollgestopft. Noch gefährlicher waren die religiösen Feste, die wieder dicht an dicht gedrängt gefeiert wurden. Der Nährboden für die zweite Coronawelle war bereitet.

Bis in den Juni wollte die Regierung das Schuljahr, das offiziell im April endete und in dem unsere Schüler nur drei Monate im Unterricht waren, verlängern, was das erneute Ausbrechen der Pandemie jedoch vereitelte. Ohne echte Zäsur zwischen den beiden Schuljahren begann vor kurzem das neue. Dieses Mal jedoch gehen unsere Schüler der Klassen 8, 9 und 10 täglich in die Schule, während die anderen weiterhin zu Hause mithilfe der häuslichen Betreuer und der Großen lernen.

Zwar verläuft der Online-Unterricht in der Oberstufe gut, doch kommen bei den Schülern Unsicherheiten bezüglich der Abschlussprüfungen auf, die vom Juli in den Herbst – bisher ohne festen Termin – geschoben werden sollen. Dieses zermürbende Verfahren haben wir auch schon letztes Jahr mit den Zehntklässlern erlebt. Glücklicherweise hat bei ihnen die Regierung dieses Jahr schon entschieden, dass sie ohne Prüfung auf der Basis der in der Schule erworbenen Leistungen den

Abschluss anerkannt bekommen. Sofort haben sich unser Leitungsteam und die drei Deutschen vor Ort mit den Jugendlichen zusammengesetzt, um mit ihnen über ihre Zukunft zu beraten. Der Abschluss der 12. Klasse genießt in der nepalesischen Bevölkerung ein so hohes Ansehen, dass alle Eltern und Kinder, unabhängig von der Begabung, ihn haben wollen und ihn höher als eine Berufsausbildung ansiedeln. Wir wollen jedoch unsere Kinder lieber mit einer, wenn vielleicht auch kurzen Berufsausbildung nach der 10. Klasse ins Leben entlassen, als sie in der Oberstufe scheitern zu sehen. Unser Team konnte die Jugendlichen in ihren sehr guten Beratungsgesprächen von diesem Weg überzeugen, was ein großer Schritt in die richtige Richtung ist. Ein erfolgreiches Beispiel ist Apsara, die schon vor einem Jahr die 10. Klasse abschloss und eine 3-monatige Montessori-Ausbildung machte. Ihre erste Stelle fand sie in der SEB School, der Schule unserer Kinder.

Unser erstes Haus, in dem unsere Buben ab der Klasse 5 wohnten, wurde zu eng. Zudem war die Versorgung mit Brauchwasser nicht mehr gewährleistet. Für ein neues Wasserreservoir hätte tiefer gegraben werden müssen, wofür der Hausbesitzer jedoch uns bezahlen lassen wollte. Dann sollte die Pacht des angrenzenden früheren Maisfeldes, das wir als Sportplatz nutzten, vervierfacht werden, nachdem die Vermieterin die Miete für das zweite Haus fast verdoppelt hatte. Wir gaben beides auf und zogen in ein viel geräumigeres Haus um, das nur zwei Häuser von unserem Backsteinhaus entfernt liegt. Als Mieter sind wir ausgesprochen gern gesehen, weil wir pünktlich am Monatsanfang den vollen Mietzins entrichten, anstatt ihn wie viele Nepalesen im Laufe des Monats abzustottern.

Obgleich Rajesh als Vorsichtsmaßnahme alle Hausangestellten verpflichtete, ins Haus zu ziehen, obgleich er und die anderen Betreuer sehr darauf achteten, dass die Kinder keinen Kontakt zur Außenwelt hatten, wurden knapp zwei Drittel unserer Kinder und Mitarbeiter Opfer von Corona. Trotz mehr Platz als je zuvor, wohnen die Kinder noch eng zusammen, so dass das Virus bei uns ein leichtes Spiel hat, sich zu verbreiten. Nur im dritten Haus bei unseren Großen blieben bis auf zwei alle gesund. Zum Glück zeigten alle Erkrankten milde Verläufe, so dass die häusliche Quarantäne genügte. Wieder luden wir das staatliche Testerteam zu uns ein, das zum Glück keine weiteren Fälle entdeckte. Bleibt nur zu hoffen, dass die Erkrankten gleichzeitig immunisiert wurden, denn um das Impfen in Nepal steht es generell schlecht.

Die zweite Corona-Welle traf den kleinen Himalajastaat mit voller Wucht. Die Inzidenzen schnellten fast über Nacht auf mehr als 9000 Neuinfektionen hoch. Ansteckender und gefährlicher als die erste führte sie zur schnellen Überfüllung der Krankenhäuser, die sich nicht scheuten, aus der Notlage Profit zu ziehen: Die Preise wurden flugs an den Bedarf angepasst. Damit konnten sich Arme den Aufenthalt, der ein Monatseinkommen verschlang, nicht leisten. In der Presse sah man Bilder von Kranken, die auf den Fluren und im Hof lagen. Es fehlte vor allem an Sauerstoff und Sauerstoffkonzentratoren, Hygienematerial etc. Nach der ersten Welle hatte die Regierung leider keine Vorsorge für eventuell neue Ausbrüche getroffen. Sie war und ist mit sich selbst beschäftigt.

Unsere „100‘s group“ bat uns um finanzielle Hilfe für das Einrichten einer Notaufnahmestation für arme Erkrankte in einer gerade leerstehenden Schule. Ihnen, die Sie unserem Aufruf über die Gmünder Presse sowie betterplace und gut-fuer-die-ostalb gefolgt sind und ganz spontan gespendet haben, danken wir an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich. Sie haben manches Leben gerettet. Da die Gruppe noch von einer Fraueninitiative und plötzlich auch von der Regierung unterstützt wurde, konnten wir uns hier zurückziehen und einen Teil Ihrer Spenden direkt Betroffenen zugutekommen lassen. Darunter waren die Eltern unseres früheren Mitarbeiters Navaraj, dessen Mutter wegen einer Lungenentzündung in Verbindung mit Corona sogar künstlich beatmet werden musste. Der Vater hatte einen milderen Verlauf. Ohne unsere Unterstützung hätten sie sich die Behandlung in Nepalganj nicht leisten können. Auch wenn sie uns auf eigenen Wunsch verlassen hatten, fühlten wir uns ihnen gegenüber hier zu Hilfe verpflichtet. Unsere Treue und Zuverlässigkeit beeindruckte sie sehr.


Ferner halfen wir der Leiterin eines kleinen nepalesischen Kinderheims in Bhaktapur, die wegen ihrer Vorerkrankung sehr gefährdet war. Sie ist inzwischen auch wieder zu Hause. Wir hatten dieses Kinderheim schon beim ersten Lock-down mit Lebensmitteln unterstützt. Alle drei Erkrankten leiden noch unter den Spätfolgen und benötigen zum Teil noch viele Medikamente.

Über ehemalige Trekker wurde an uns die Bitte einer Krankenschwester aus dem unteren Syrabesi im Langtang herangetragen, die für drei Gesundheitsposten in ihrer Umgebung um drei Krankenbetten, Sauerstoffflaschen und -konzentratoren sowie verschiedene Mess- und Kontrollgeräte bat. Gern haben wir ihr geholfen, schon weil es in Nepal wenig verbreitet ist, präventiv zu arbeiten. Sie setzt damit ein richtiges Zeichen für die Zukunft. Wegen des sehr frühen und starken Monsuns dieses Jahr konnte sie noch nicht alle Hilfsgüter an deren Bestimmungsorte ausliefern. Auch sie dankt Ihnen sehr herzlich.


Inzwischen hat Deutschland ebenso wie viele andere EU-Länder viele Hilfsgüter zur Bekämpfung der Pandemie nach Nepal geschickt und der Regierung übergeben. Haben diese Lieferungen zur schnellen Senkung der Fallzahlen beigetragen? Denn so schnell wie die Zahlen hochschnellten, so schnell gingen sie auch wieder zurück. Wie groß die Dunkelziffer allerdings ist, wissen wir nicht. Nepal, dessen größte Einnahmequelle der Tourismus ist, wollte sich nicht noch einmal das lukrative Geschäft mit den Everest- und Dhaulaghiri-Trekkern entgehen lassen, das allein am höchsten Berg der Welt rund 4 Millionen Dollar in die offiziellen Kassen spült; die gleiche Summe sollen die Trekker noch einmal privat liegen lassen. Trotz der vielen Toten am Everest 2019 gab die Regierung mit 408 permits (Besteigungsgenehmigungen) noch ein paar mehr als zwei Jahren davor aus. Corona brach unter den Trekkern aus. Wie viele der ca. 1100 Einheimischen, die für deren Wohl sorgten, davon angesteckt wurden und das Virus in ihre Dörfer schleppten, ist noch nicht klar.

Zurück bleibt der Hunger, der leider eher zu- als abnimmt. 70 % aller Nepalesen arbeiten im informellen Sektor, d.h. als Tagelöhner, die mit viel Glück zwischen den beiden Lock-downs ein paar Monate arbeiten konnten. Überall sind alle Reserven aufgebraucht. Die Regierung macht dieses Mal nicht einmal punktuell etwas, um ihrer Bevölkerung zu helfen. Daher melden sich bei uns mehr und mehr Bittsteller, die von immer weiter her kommen und lange und beschwerliche Fußmärsche auf sich nehmen, denn im Lock-down fahren keine Busse. Wie dankbar sind wir Ihnen, dass Sie uns mit so vielen Spenden gegen den Hunger unterstützt haben, so dass wir bis Ende Juni weit mehr als 300 Lebensmittelpakete ausgeben konnten. Zudem haben wir zwei kleine Kinderheime unterstützt. Das eine haben wir bereits oben erwähnt; das andere wurde von einem amerikanischen Pfarrer geführt, der seit seiner Rückkehr in die USA während des ersten Lock-downs nichts mehr von sich hören ließ. Diese Kinder versorgten wir zusätzlich mit Kartoffeln, Tomaten, Zwiebeln und Eiern. Wegen des großen Bedarfs ist Rajesh gerade dabei, weitere 100 Lebensmittelpakete zu packen. Wir können es nicht verantworten, dass die Menschen wieder den Freitod suchen oder verhungern. Eher müssen wir an anderen Stellen versuchen einzusparen. Sofern Sie uns in diesem Kampf gegen den Hunger weiter unterstützen wollen, wären wir Ihnen für eine Spende – und mag sie auch noch so klein sein – auf unser Spendenkonto unter dem Stichwort „Hunger“ sehr dankbar. Weitere Bilder und Texte dazu finden Sie hier im Blog und bei unseren Projekten auf betterplace und gut-fuer-die-ostalb.

Durch die Lock-downs können viele Familien es sich nicht mehr leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken und bitten uns verstärkt um Hilfe. Wir suchen daher neue Paten. Patenschaften gibt es ab 30 Euro im Monat.

Im Augenblick nehmen die Herausforderungen für das kleine Land kein Ende, denn ein sehr heftiger und sehr früher Monsun zerstörte mit seinen Wassermassen in vielen Landesteilen bereits ganze Dörfer und forderte auch Menschenleben. Ein paar moderate Erdbeben gab es wieder im Langtang. Und die Regierung steckt in einer so tiefen Krise, dass das Parlament aufgelöst wurde und es im Herbst vorgezogene Neuwahlen geben muss. Damit sieht sich niemand mehr in der Verantwortung für die Bevölkerung und das Land.

Ihnen wünschen alle Kinder und Empfangende alles erdenklich Gute in diesen schwierigen Zeiten! Bleiben Sie gesund!

Ihnen wünschen alle Kinder und Empfangende alles erdenklich Gute in diesen schwierigen Zeiten! Bleiben Sie gesund!

Mit freundlichen Grüßen


Eine Vielzahl weiterer Rundbriefe, der vergangenen Jahre, finden Sie auch in unserem Downloadbereich zum Herunterladen als pdf.

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